Vom Lauftreff konnten sich vier Unverzagte aufraffen, um sich bei recht eisigen Temperaturen – echter Frost mit Minusgraden – der heimischen Konkurrenz zu stellen. Angeführt wurde das Quartett von unserem Standortältesten Jürgen, der den Lauf auch in das Portfolio einbrachte. Frank – stets in Bereitschaft seinem Herrn Busse zu richten – war wie immer hochmotiviert, Birk und Ringo konnten nach ihren Urlauben in den katholischen Ländern Spanien und Polen wieder an einer weniger ritualisierten Andacht teilhaben.
Dafür gab es aber bereits an der Pforte ein ganz strenges Ritual. Bevor man das geheiligte Areal der Himmelsstürmer betreten durfte, hieß es selbstverständlich: “Ihren Personalausweis bitte“. Wohl dem, der im ausliegenden Buche stand. Ein intensiver Blick auf das Foto, ein nachhaltiges Studium der codierten Daten der Existenz auf Erden und das Kreuz auf der Liste ward gemacht. Kurzentschlossene, die sich nach einem morgendlichen Lichtblick hinter dem milchig-vereisten Fenster für eine Fahrt nach Laage entschieden, mussten ein wenig mehr Zeit für die Vorfeldkontrolle einplanen. Es wurde ganz nach dem strengen Kodex der Wächter geprüft, registriert, dokumentiert und nochmal geprüft bevor die Pforte sich öffnete.
Recht schnell zog es uns in die vorbereitete Leibesertüchtigungshalle, die als Treffpunkt benannt war. Man wollte sich ja nicht als Späher verdächtig machen, der für ein paar Taler Geheimnisse der Landesverteidigung verriet. Außerdem lockte die Wärme in der Gemeinschaft Gleichgesinnter. Umziehen auf engstem Raum, aus dem zivilen Rock ein Päckchen legen, einen heißen Tee mit nur zu vermutenden Ingredienzien trinken, kurze zackige Einweisung mit Andacht, es ging schon recht militärisch zu, aber wir hatten ja auch keine Zeit zu verlieren. Contradictio wagte man nicht zu richten, da ein tiefes Loch im Boden der Halle – es erinnerte ein wenig an den Eingang von Katakomben – , das Verschwinden derer verba locutus est als auch das von agentibus durchaus begründen könnte.
Pünktlich “Nullneunhundert Zulu Zeit“ – sprich um Zehn – erfolgte der Start. Dabei vertraute man auf die Stimme des Organisators, ein Startschuss hätte in einem militärischen Objekt wohl zu viel Aufsehen erregt. Die Laufstrecke an sich war recht unspektakulär. Keine Start- oder Landebahn, keine Hindernisbahn, kein Sightseeing – nein ganz profan eine asphaltierte Straße ins Unbekannte. Auf den ersten 200 Metern konnte man ja noch die Ästhetik militärischer Zweckbauten in sich aufnehmen, aber nach einer Richtungsänderung von 90 Grad nach rechts ging es auf einen 1.000 Meter langen Anstieg mit freiem Ausblick nach rechts und links. Das Ende dieses Abschnittes markierte ein Traditionsflugzeug der Luftwaffe, das für die 12k-Läufer insgesamt acht Mal zum Fixpunkt werden würde. Oben angekommen hieß es Links schwenk und 300 Meter “bergab“. Ein roter Verkehrskegel war der Wende- und der Flieger wieder Fixpunkt. Alles retour auf 1.500 Metern zum Abschluss der Runde. Die Anzahl der zu laufenden Runden konnte damit mathematisch ermittelt werden.
Die Laufsportfreunde aus Laage und Umgebung – ob jung oder alt – gingen trotz nicht ganz optimaler Bedingungen sehr ambitioniert aufs Feld. Meter für Meter entschwanden sie in der Ferne. Wir Lauftreffler handelten zunächst nach der Devise “Keiner wird im Kampf zurückgelassen“, na ja wenigstens auf dem ersten Teilstück. Dann kam von Jürgen die Direktive “Lauft! Lauft schneller! Lasst mich zurück! Was zählt ist die Mission!“ Dramatik – Trommelwirbel – Fanfare, aber nach einer kurzen Lageeinschätzung splitterten wir unsere Kräfte tatsächlich auf, schließlich verfolgten wir ja auch drei Stoßrichtungen, 6k, 9k und 12k. Birk und Ringo nun als Stosstrupp auf der Langlinie, Jürgen und Frank als sichernde Nachhut auf den beiden kürzeren Distanzen. Das war – wie sich später noch herausstellen sollte – eine taktisch kluge Entscheidung. Zunächst gelang es Birk und Ringo – Mann neben Mann quasi im Gleichschritt – verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Schritt für Schritt kämpften sie sich durch den Pulk nach vorne. Eine Position nach der anderen fiel, bis sich das Läuferfeld klassisch entzerrt hatte und Positionskämpfe zu einzelnen Scharmützeln gerieten. Sechs Kilometer, also zwei Runden, ging dies gut, dann musste Ringo aber dem hohen Tempo von zuletzt 4:50 min/ km Tribut zollen. Noch einmal änderten wir die Strategie, Birk drückte weiter mit hoher Intensität, Ringo nahm für sich etwas Tempo aus dem Lauf, verlor Birk aber nicht aus den Augen.
Zum Ende der dritten Runde der Beiden kündigte sich ein wenig Spannung im Rennverlauf an. Jürgen und Frank liefen Gefahr, von ihnen überrollt zu werden. Jürgen konnte sich aber nach seinen sechs Kilometern mit 42:17 unbeschadet ins Ziel retten, während Frank zur Mitte seiner dritten Runde Birk an sich vorbeiziehen lassen musste. Das setzte aber immerhin so viel Schubenergie in ihm frei, dass er sein Tempo deutlich verschärfen und Ringo weiterhin auf Abstand halten konnte. Permanente Satelliten gestützte Messungen ergaben sogar, dass Frank erstmals einen Kilometer in fünf Minuten lief.
Mit den Endzeiten 57:51 , 58:33 , 59:22 erreichten Birk, Frank und Ringo das offizielle Zielgebiet. Der Einsatz wäre damit zu Ende gewesen, aber Ringo konnte sich noch nicht bremsen, da seine Koordinaten eine Fehldistanz von über 200 Metern auswiesen, die in der Eigenbilanz nicht fehlen durften. Eigentlich war auch ein gemeinsames Zielfoto im Läuferoutfit geplant, Jürgen hatte sich aber zu diesem Zeitpunkt bereits aller Kleider entledigt und kam völlig entspannt aus der warmen Dusche. Damit war eine aufregend realistische fotografische Dokumentation des heldenhaften Einsatzes selbstredend hinfällig. Auch wir anderen zogen es dann vor, die Regenerationsphase zügig zu beginnen.
Nach dem Duschen und Umziehen war uns ein geselliges Beisammensein bei Suppe, Kuchen und Getränken im Hauptquartier der Seelsorger in Aussicht gestellt worden, was wir auch sichtlich genießen konnten. Begleitet von wissenschaftlich fundierten Ausführungen über die Mysterien der Energiebilanz von Ausdauersportlern nahmen wir ohne Reue Speis und Trank in uns auf.
Alle Teilnehmer wurden mit einer Urkunde und einer Medaille bedacht. Die drei Besten einer Laufwertung erhielten darüber hinaus einen schmucken Pokal. Birk und Ringo mussten erkennen, dass man für einen Platz auf dem Podium schon die 50 Minuten anpeilen musste, was aber beim derzeitigen Trainingsaufwand und Fitnesszustand eher eine Utopie ist.
Jürgen hatte auf seiner Strecke wie immer mit deutlich Jüngeren – so bis zu 70 Jahre Altersunterschied – zu kämpfen, die ihm dann schließlich auch den Rang abliefen. Lediglich Frank konnte groß auftrumpfen. Die strategisch gute Wahl der Strecke und der Ehrgeiz sie auszulaufen – nach 6k gab es einige Aussteiger – bescherte ihm seinen ersten Pokal.
Am Ende waren alle zufrieden mit dem “Seelsorgelauf“. Organisation und Stimmung waren perfekt. Es gibt 4.1 von 5 Punkten, die Laufführung bedingt einige Abzüge. Sportfreund Stache freute sich besonders über unsere starken Auftritt, wir stellten schließlich acht Prozent der Teilnehmer. Jürgen wurde zum Legaten ernannt, um einen engeren Kontakt nach Laage zu halten. Ich denke wir sollten dem Ruf folgen und dort öfter mal auf die Strecken gehen.
Ringo
Jungs, ihr seid ein Traum, in jeder Hinsicht! LG ! Dem Ruf eines Legten sollte man immer folgen…:) das Schönste aber ist der Blick in eure Gesichter! Ich finde euch toll!