09.04.2017 | 10. ELBDEICHMARATHON Tangermünde/ Sachsen-Anhalt
Wenn Mann oder Frau regelmäßig an professionell organisierten Läufen teilnehmen möchte, muss man schon sein Budget im Auge haben. Startgebühren ohne Extras wie Eventshirts oder Taschen von jenseits der 30 Euro für einen Halbmarathon lassen den Schluss zu, dass die Veranstalter gerne oberhalb der Kostendeckung kalkulieren. So kann es von Vorteil sein, sich a) einen Start zum Geburtstag oder zu Weihnachten schenken zu lassen, b) einen Sponsor zu suchen oder c) an einer Freistartverlosung zu beteiligen.
Gute Erfahrungen konnte ich mit dem Laufengagement von e.on und Krombacher machen. E.on sponserte mir im letzten Jahr meine 10 km beim Kap-Arkona-Lauf und dank Krombacher durfte ich am 09. April 2017 beim 10. Tangermünder Elbdeichmarathon über die Halbmarathondistanz starten.
Nach dem Startplatzgewinn musste ich erstmal googeln, wo Tangermünde ganz genau liegt und was den Reiz (dieser) einer der größten Laufveranstaltungen in Sachsen-Anhalt ausmacht. Fahrtechnisch etwa soweit wie Berlin, zwischen Wittenberge und Magdeburg an der Elbe gelegen, ist es – natürlich verbunden mit einem Lauf – durchaus ein empfehlenswerter Sonntagsausflug.
Ich zitiere jetzt mal kurz aus dem Internetauftritt des Tourismus-Büros. Tangermünde gehört zu jenen norddeutschen Städten, die ihr mittelalterlich anmutendes Stadtbild bis in die heutige Zeit bewahrt haben. Hier findet der Besucher Historie zum Anfassen. Auf einer Hochfläche über der unverwechselbaren Auenlandschaft an der Mündung des Flüßchens Tanger in die Elbe liegen die mittelalterliche Burg und die vor etwa 1000 Jahren in ihrem Schutze entstandene Stadt.
Hört sich nicht nur nett an, ich kann es auch bestätigen. Und so hatte es schon etwas von einem mittelalterlichen Heerlager, als man den Start- und Zielbereich an der Tanger zum Fuße der Stadtmauer betrat. Im Rund der Zelte und Wagen kamen rund 2.200 motivierte Landsknechte des Laufens in ihrer bunten Funktionsgewandung zusammen und wollten einen persönlichen Sieg über die klassische Marathondistanz, den Halbmarathon, die 10k, einen Minimarathon über knapp 4k oder einen Kinderlauf erringen. Der Starterranzen war übrigens gut gefüllt. Ein Fläschchen Protein-Drink, zwei Müsliriegel, eine Müsliprobe und diverse Kosmetikproben gab es in der Grundvariante. Starter über die Langdistanzen erhielten als Dreingabe auch ein Funktionshemd, dessen Grün mich aber nicht zu einem spontanen Outfitwechsel inspirierte.
Inspirierender war dagegen eine Läuferandacht in der St. Stephanskirche. Irgendwie war es eine Form der mentalen Motivation, auch wenn ich eher selten in Kirchen gehe.
Ein bisschen irritiert hat mich der Abschluss der Andacht. Da hat der Pfarrer die Besucher der Andacht – wieder ganz mittelalterlich – aufgefordert, dem Landesherren (es war der Ministerpräsident) zu folgen, um seiner offiziellen Veranstaltungseröffnung beizuwohnen. Ein bisschen befremdlich fand ich diese Prozession im Zeichen einer nahenden Bundestagswahl dann schon. An der Spitze zwei Männer in Schwarz, Sinnbild für Kirche und Staat, dahinter folgen die Landeskinder. Nun ja in Abwandlung des Slogans des Regionalmarketings, die Altmark ist eine Welt für d(s)ich.
Mit diesen Gedanken und Dehnungsübungen stieg gegen 10:00 Uhr der Puls leicht an. Zur vollen Stunde starteten die Marathonis. Im Abstand von jeweils 10 min dann die Läufer über die Halbdistanz und dann die 10er. Unter dem Jubel der Zuschauer ging es zunächst noch ein Stück an der Stadtmauer entlang, dann ein paar Meter durch eine Eigenheimsiedlung und nach zwei Kilometern war man schon auf freiem Feld. Ein eigener Laufrhythmus war schnell gefunden, da es kaum Steigungen gab – am Ende standen elf Höhenmeter zu Buche – und sich das Feld auch extrem schnell und weit auseinander zog. Platz war ja da und der gelegentlich drückende Wind sowie die steigende Sonnen taten ein Übriges. Unterwegs passierte man die drei Dörfer Bölsdorf, Buch und Schelldorf, wobei man den Eindruck gewinnen konnte, dass die Läuferschar das gesamte Tourismusaufkommen in diesen Gemarkungen ausmachte.
Am herzlichsten war der Empfang in Buch. Als Verpflegungsstation ausgelegt, ließen es sich die Bewohner nicht nehmen, ein zünftiges Dorffest zu feiern. Sie mit Musik, Bier und Gegrillten – wir mit Wasser, Äpfeln und Bananen. Von der Musik hatten natürlich beide Seiten etwas.
In Schelldorf kam die Wende bei Kilometer 12,5. Einerseits konnte man auf einem Abschnitt von ca. 2 Kilometern, die einem nachfolgenden Läufer beobachten, andererseits kippte bei mir der Zeitplan Schaffte ich die ersten 12 Kilometer noch in einer Zeit von knapp 59 Minuten, merkte ich schnell, dass mir die Kilometerzeiten wegrutschten und die 1:44:59 auch diesmal nicht erreicht werden kann. Zeiten zwischen 5:08 und 5.38 standen jetzt auf der Uhr. War es die Kraft oder der Kopf, ich weiß es nicht. Dennoch konnte ich das letzte Drittel – jetzt auf dem Elbdeich – genießen. Und als die Stephanskirche – die von der Andacht – in Blick kam, war ich auch mental wieder auf der Höhe.
Der Zieleinlauf am Flüsschen Tanger zog sich noch etwas, schließlich brauchten die Zuschauer Platz zum Jubeln. Als ich jedoch vom Moderator mit Namen im Zieleinlauf angekündigt wurde, streckte ich meine Brust und konnte die Ziellinie mit einer Zeit von 1:48:36 überqueren. Kopf gesenkt für die Medaille. Dankbar lies ich mir die Schuhe aufbinden, damit mein Chip eingesammelt werden kann. Auch das Alkoholfreie konnte nach diesem Lauf nicht kühl genug sein. Na gut es waren zwei.
Blieb die Frage, wie ich mich wieder vom Landsknecht zum Promeniere wandele. Ausdauersport ist ja mit gewissen Begleiterscheinungen verbunden. Vom Veranstalter wurde der Hans-Grohe-Duschtruck angekündigt und von mir mit Spannung erwartet. Vorstellen konnte ich mir darunter recht wenig und die Assoziationen, die man als Läufer mit mobilen sanitären Anlagen hat, wollte ich eigentlich nicht vertiefen.
Aber viel zu viele Gedanken gemacht. Die Ladefläche eines Sattelschleppers wurde geteilt und mit Edelstahl ausgekleidet. Man konnte zwischen verschiedenen Armaturen auswählen (ein gewisser Werbeeffekt) und hatte überhaupt nicht das Gefühl, irgendwelche Abstriche machen zu müssen. Das Wasser hatte eine angenehme Temperatur und die Sauberkeit der Anlage ließ so manchen Fitnesstempel blass aussehen.
Der Elbdeichmarathon ist ein durchaus empfehlenswerter Lauf. Die Stimmung ist entspannt und die Strecke weist keine besonderen Tücken auf. Sowohl Anfänger als auch Ambitionierte kommen auf ihre Kosten. Ich würde 4,5 von 5 Punkten geben.